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Nach neun Jahren war ich im Frühjahr 2023 zum ersten Mal wieder zu Besuch in unserer Partnergemeinde in Moshi/Tansania. Diesmal mit dem Vorsitzenden des Partnerschafts-Ausschusses, Ulf Grensemann.
Meine Beobachtung auf Schritt und Tritt: Dieses Land mit seinen Menschen – und damit auch unsere Partnergemeinde - erlebt einen atemberaubenden Wandel. Tansania gehört zu den so genannten „Schwellenländern“, also zu den Ländern, die aufgrund ihres Fortschrittes nicht mehr direkt zu den „Entwicklungsländern“ gehören.
Schon bald nach meiner Ankunft fiel mir auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt das völlig veränderte Straßenbild auf. Waren die Straßen von Moshi vor neun Jahren noch überfüllt mit Fahrrädern, die überwiegend als Transport- und Lastenräder genutzt wurden (auch für extrem schwere Lasten), sieht man heute nur noch vereinzelt Fahrräder. Sie wurden ersetzt von unzähligen Motorrädern und den sogenannten Tuk-Tuks, den stinkenden und nebelnden motorisierten Dreirädern mit Textildächern aus Asien, die die Straßen zu tausenden säumen. Tansania ist auf dem Weg zur völligen Motorisierung.
Freilich hat heute in Moshi fast jeder ein Handy. Und viele Schülerinnen und Schüler stolpern genauso gedankenverloren mit ihren Handys vor den Augen durch die Stadt wie bei uns. Das Land ist in der Moderne angekommen mit allen Konsequenzen! Selbst die Massai tragen in den Gürteln ihrer traditionellen farbenprächtigen Gewänder neben dem Hirtenstock ihr modernes Smartphone.
Schließlich erlebt Tansania wie viele afrikanische Staaten ein gewaltiges Bevölkerungswachstum. Lebten 1967 noch 12 Millionen Menschen in dem Land, so sind es heute schon 62 Millionen, und im Jahre 2051 werden es 151 Millionen sein. Das heißt: die Straßen und Märkte in Moshi sind heute schon überfüllt mit Menschen. Und es werden täglich mehr.
Viele der Menschen leben in unserer Partnergemeinde „Pasua“ (mit den Gemeindeteilen Kalimani, Idstein und Kaloleni) noch in traditionellen Lehmhütten mit Blechdächern (aber fast immer mit einem überdimensionierten Farbfernseher und einer Satellitenschüssel auf dem Dach), viele leben aber bereits auch mit einem beachtlichen Standard in festen moderneren Häusern mit Strom, fließendem Wasser und einigem Komfort. Die soziale Kluft zwischen den eher wohlhabenden und den bedürftigen Bevölkerungsschichten nimmt auch in Tansania zu. So konnte ich erleben, dass vor den Mauern eines sehr stattlichen Anwesens eine Familie in der prallen Sonne hauste, die samt den Kindern ihr täglich Brot mit Felsbrocken zu Bausplitt kleinhämmern erschuftete. Kinderarbeit aus Not auch in Moshi! Akuten Hunger gibt es zurzeit in Tansania nicht, wobei der tägliche Lebenskampf durch die Pandemie (samt eingebrochenem Tourismus), Klimakrise und Ukrainekrieg deutlich härter geworden ist.
Der wirtschaftliche und soziale Wandel des Landes ist auch in der Kirchengemeinde angekommen – wenn auch unterschiedlich. Im Gemeindeteil „Pasua“ leben die eher ärmeren Gemeindemitglieder in ihren Lehmhütten, wogegen im reicheren Gemeindeteil „Idstein“ die besser Gestellten zum Teil in neuen Häusern der Neubaugebiete leben. So konnte die wachsende Idstein-Gemeinde (bis zu 600 Gottesdienstbesucher am Sonntagmorgen!) in den letzten Jahren ihre Idstein-Kirche fast um das Doppelte erweitern und eine neue Halle für die Kindergottesdienst-Kinder bauen, wogegen die ärmere Pasua-Gemeinde mehr und mehr Gemeindemitglieder verliert.
Unter dem gesellschaftlichen Wandel leidet zunehmend die Kindergarten-Arbeit in allen Gemeindeteilen. Besuchten vor wenigen Jahren noch bis zu 450 Kinder die Gemeinde-Kindergärten, so sind es heute nur noch 172 Kinder. Die wohlhabenden Eltern schicken ihre Kinder in besser ausgestattete private Kindergärten. Andere Eltern ziehen für ihre Kinder die in den letzten Jahren entstandenen kommunalen, freikirchlichen oder muslimischen Kindergärten vor, da diese gebührenfrei sind. So entsteht ein Teufelskreis: keine Kinder, keine Einnahmen, kein Geld für die Weiterentwicklung der Kindergärten, keine Gehälter für Lehrer, Erzieher, Lernmaterial und Modernisierung der Gebäude. Hier wollen wir in Zukunft verstärkt helfen!
Wandel in Tansania: Wir sehen in dieser Gemeindepartnerschaft die Aufgabe, unsere Schwestern und Brüder in Moshi/Tansania durch diesen Wandel zu begleiten, ihnen nach unseren Kräften zu helfen und sie zu unterstützen.
Moshi ist und bleibt unsere Aufgabe!
Martin Kuhlmann