Gottesdienst-Kultur und Gottesdienst-Innovation

veröffentlicht 25.08.2025, Ev. Kirchengemeinde Idstein

Wie Sie vielleicht schon bemerkt haben, beschreiten inzwischen viele Gemeinden neue Wege in der Gestaltung ihrer Gottesdienste. Vor 15 Jahren kam ich als noch recht junge Pfarrerin nach Idstein – geprägt durch die hochintellektuellen und hochliturgischen Gottesdienste in meiner Vikariatsgemeinde in Königstein. Aber auch durch die sehr familienorientierten Taufgottesdienste mit Bildergeschichten und lockerer Atmosphäre.

Als Neuling an der Unionskirche erhielt ich ganz unterschiedliche Feedbacks zu meinen Gottesdiensten: „Zu viele Fremdwörter“, „Predigt ist keine Vorlesung“, „zu viele Lieder“, aber natürlich auch viel Lob. Besonders lustig: „Man hört zum Glück nicht, dass Sie Hessin sind.“ 

Eine der ersten Konfirmationen hielt ich zu „James Bond“. Damals war es technisch noch gar nicht so einfach, irgendwelche Filmausschnitte zusammenzubringen, aber ich habe einen jungen Mann gefunden, der mir aus allen James Bond-Filmen die relevanten Szenen heraussuchte. Mega aufwändig, total toll für die jungen Leute. Damals ging eine Dame aus dem Gottesdienst und sagte: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Und ich: „Ach, schön! Hat es Ihnen gefallen?“ Und sie: „Überhaupt nicht!“ „Hui“, dachte ich. Gottesdienst ist eben etwas, das sehr von der persönlichen Prägung und Tradition abhängig ist, einer gewissen Offenheit bedarf und natürlich auch mit der Liturgin/dem Liturgen zusammenhängt, mit der/dem man sich identifizieren, solidarisieren oder sie /ihn auch ablehnen kann. 

15 Jahre sind eine lange Zeit. Ich selbst entwickle mich, ich habe so viele Menschen in diesen Jahren begleitet, habe Gottesdienste gefeiert, in denen niemand das Glaubensbekenntnis mitsprechen konnte /wollte, wo Menschen mit verschränkten Armen sitzenblieben, während der Rest stand, in denen kaum jemand die Gesangbuchlieder mitträllern konnte, wo mir aus dem Auditorium kaum Resonanz entgegen kam. Ich meide inzwischen häufig die Kanzel, weil sie noch mehr Distanz zu den Zuhörenden bringt. Häufig stehe ich ganz unten, um in Kontakt zu bleiben, zu spüren: „Wer sitzt da? Was brauchen sie gerade?“ In einer heterogenen Menge können niemals alle Geschmäcker und Emotionen getroffen werden. Das ist klar. Auch mit der Musik ist das in jedem Gottesdienst eine Herausforderung. Zu laut, zu langsam, zu pathetisch, zu modern. Eben Prägungs- und Geschmackssache.

Klar ist, dass wir immer mehr Menschen verlieren, weil sie nicht anknüpfen können, weil ihnen die Liturgie fremd ist, weil das biblische Lutherdeutsch schwer zu verstehen ist, weil die Themen des christlichen Glaubens manchmal schwere Kost sind. Sie fühlen sich in einem Gottesdienst verloren oder provoziert oder nicht abgeholt, manchmal sogar peinlich berührt oder indifferent. Und deswegen empfinde ich es als eine meiner Aufgaben, neue Anknüpfungspunkte zu schaffen, um die wesentlichen Inhalte des Evangeliums zu vermitteln! Weil unsere Botschaft wertvoll ist in einer kalten Welt voller Überforderungen und Abgründe. Genau das ist der Grund, warum ich für neue Gottesdienstformate brenne! Ich schätze eine tiefgründige Predigt und die Liturgie, aber was brauchen die Menschen, die zu mir kommen: die Paten und Tauffamilien, die Konfis, die Kinder, diejenigen, denen Kirche total egal ist, die Brautpaare und Trauerhäuser? 

Es ist für mich der einzige und richtige Weg, Zielgruppen anzusprechen und abzuholen, um ihnen zu zeigen: die Bibel, das Wort Gottes, hat etwas mit Dir zu tun. Mit Dir hier und jetzt. Mit Deinem Alltag. Ganzheitlich. 

Und deswegen haben wir Bodybalance- und Yoga-Gottesdienst gefeiert. Deswegen haben wir Schlager auf ihre christliche Message hin untersucht und ausgelegt. Deswegen knüpfen wir an der Fußwaschung Jesu mit einem Fußpflege-Gottesdienst in Wallrabenstein an. Deswegen klammern wir Tiere nicht aus, sondern laden sie mit ihren Besitzern an die Niederseelbacher Kirche ein. Wir gehen an den Bach zum Taufen und Picknicken, weil Familien ihre gemeinsamen Sonntage brauchen und werden am Reformationstag die Tür für „Ein feste Burg“ und Halloween in Kombination öffnen – damit alle verstehen, dass es kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander ist, damit jüngere und ferne vielleicht Lust haben, in Kontakt mit uns zu kommen. 

Bewahren ist das eine, neue Wege gehen ist das andere. Und ich wünsche mir, dass es miteinander gelingt. Die Zeit des Gegeneinanders ist lange vorbei! Die Kirche braucht eine Zukunft. Unsere Verantwortung ist es, auszuloten, wie wir diese gestalten können, dass sie nicht nur einem exklusiven Zirkel zugänglich ist, sondern all das Gute, Förderliche und Liebevolle, das wir in petto haben, möglichst vielen zu Gute kommen kann. 

Pfrin. Dr. Daniela Opel-Koch