Der Herr der Ringe: Christlich oder reine Fantasie?

veröffentlicht 02.11.2025, Ev. Kirchengemeinde Idstein

Tabea Kraaz

Gottesdienst am 2. November 2025 um 17 Uhr mit Musik aus den Filmen "Der Herr der Ringe" und gesprochenen Impulsen von Pfarrerin Dr. Tabea Kraaz

„Niemand will in diesen Zeiten leben. Es ist alles so düster und gefährlich. Ich fühle mich so klein und hilflos“, diesen Satz spricht der Hobbit Pippin zum mächtigen Zauberer Gandalf im Film „Der Herr der Ringe“. Hat dieser Satz etwas mit dem christlichen Glauben zu tun? Oder ist er einfach ein Satz aus einem fiktiven Fantasy-Epos?

Natürlich ist „Der Herr der Ringe“ erst einmal tatsächlich das: Ein fiktives Fantasy- Epos. Es umfasst 3 Bücher und wurde 1954/55 das erste Mal im englischen Original publiziert. Die deutsche Übersetzung folgte 1969/70. Autor ist der britische Schriftsteller J.R.R. Tolkien, der als Professor für englische Sprachwissenschaft an der Universität Oxford arbeitete. Ihm gelang es mit „Der Herr der Ringe“ nicht nur eine andere Welt, sondern auch eine komplette Mythologie, samt unterschiedlicher Sprachen zu entwickeln. Tolkien wurde nicht nur christlich erzogen, diese Prägung begleitete ihn auch sein ganzes Leben lang. So ist es nicht verwunderlich, dass ein aufmerksames Publikum christliche Motivik in „Der Herr der Ringe“ entdecken kann.

Zurück zum eingangs genannten Zitat: „Niemand will in diesen Zeiten leben. Es ist alles so düster und gefährlich. Ich fühle mich so klein und hilflos“, spricht der Hobbit Pippin. Hobbits sind ein Volk von kleinen Leuten, die in einer beschaulichen Ecke des Landes wohnen, im „Auenland“. Durch zufällige Ereignisse und tollkühne Entscheidungen landet dieser kleine Hobbit in einer großen Stadt der Menschen, in Minas Tirith. Eine Schlacht droht. Sauron, das Böse selbst, bedroht die Stadt. Was soll dieser kleine Hobbit, der kaum ein Schwert halten kann, nur tun? „Ich weiß, Pippin. Die Zeiten sind finster. Doch gerade in diesen schweren Zeiten zeigt sich, wer wir sind. Ob groß oder klein, jeder muss seinen Teil tun“, antwortete Gandalf ihm. Gandalf ist ein mächtiger, alter Zauberer, der ein Herz für die Hobbits hat. Dass jeder und jede etwas tun kann und es auf den einzelnen ankommt, finden wir auch in der Bibel: „Und dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.“ (1. Petrus 4,10). Dass die unterschiedlichen Gaben einem Geist dienen, finden wir auch bei Paulus. Niemand ist zu klein, um sich einzubringen. Nicht nur Pippin, auch die anderen Hobbits werden mit je eigenen Herausforderungen konfrontiert. Frodo kommt eine besonders schwierige Aufgabe zu. Er soll sich praktisch dem Bösen selbst stellen. „Das Böse“ hat im „Der Herr der Ringe“ eine ganz herausragende, dunkle Macht. Und eine Anziehung. Deswegen lassen sich so manche von ihm verführen. Um diese Macht einzudämmen, soll einer der Hobbits, Frodo, einen Ring vernichten. Dieser Ring ist die Verkörperung aller Verführung: Reine, pure Macht, um alle anderen zu beherrschen. Ihn zu vernichten, würde die Welt davor bewahren, dem Bösen zu verfallen. Aber der Ring kann nur in dem Feuer vernichtet werden, in dem er geschmiedet wurde: Im sogenannten Schicksalsberg. Und der liegt im Reich des Bösen, in Mordor. Frodo soll dort hinreisen, um den Ring im Feuer des Schicksalsberg zu vernichten. Keine leichte Aufgabe. Überall lauern Feinde, die ihn töten würden, um den Ring zu schnappen. Und in ihm steigt das Verlangen, den Ring zu benutzen. Frodo äußert, er wünschte, er müsse den Ring nicht tragen. Seine Aufgabe wird ihm zur Last. Bereits sein Onkel, Bilbo, trug den Ring – und dessen Auswirkungen betreffen ihn. Er feiert zwar seinen 111. Geburtstag mit einer großen Party, aber eigentlich möchte er nur verschwinden. Weggehen.

In was für Zeiten leben die Hobbits da nur? Finster ist es um sie herum …

In der Geschichte „Der Herr der Ringe“ gibt es aber auch Licht und Hoffnung. So wie das Böse einst bei der Erschaffung der Welt geboren wurde, kam auch das Gute zu Tage. Mit den „Elben“ hat Tolkien ein Volk geschaffen, das an Engel erinnert. Engel, die einen Ausweg kennen: Es gibt einen Hafen, die Grauen Anfurten. Von hier ist es möglich, nach Valinor zu segeln, in die Unsterblichen Lande. Es ist erstaunlich, wie die Hobbits ihren Weg finden und, wie sie Erlösung suchen. Ich erkenne in dieser Suche etwas zutiefst Religiöses.

Die Frage, „in was für Zeiten leben wir heute eigentlich?“ begegnet mir häufiger im Alltag. Viele wollen gar nicht mehr wissen, wo es überall Krieg auf der Welt gibt. Das Weltgeschehen und die Beschäftigung damit, können belastend sein. In dieser Zeit könnte so mancher auf der Erde sagen: „Niemand will in diesen Zeiten leben. Es ist alles so düster und gefährlich. Ich fühle mich so klein und hilflos.“

Hoffnung, Licht und die Perspektive auf eine Erlösung am Horizont fehlen. In „Der Herr der Ringe“ begegnet uns das alles. Mit unserem Gottesdienst wollen wir in die Filmwelt eintauchen, einer christlichen Interpretation auf die Spur kommen und durch die epische Filmmusik spüren: Niemand ist zu klein und für uns alle gibt es eine Zeit und eine Erlösung am Horizont. Diese Perspektive ist für mich keine reine Fantasie, sondern echter Glaube.

Tabea Kraaz